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Also hier im...äh...Osten jedenfalls habe ich eigentlich noch nie einen Katholiken getroffen. In unserer Schule mit 1300 Schülern wird ingesamt ca. 15mal christliche Religion belegt und vielleicht doppelt soviel die Muslimische. Soviel zum Wiedererstarken der Religionen.
Genau das meinte ich mit der jüngeren geschichtlichen Entwicklung. Ich will jetzt niemandem zu Nahe treten, aber die Betonung muss eindeutig auf den Anfang des Satzes
hier im...äh...Osten liegen. Es ist noch gar nicht so lange her, da war Deutschland in zwei Staaten geteilt. Einen demokratischen Staat und eine (sorry, wenn ich es mal so hart sage) Diktatur. Diese Diktatur, war sich in ihrer Selbstreflexion so klar über sich selbst und ihre Beliebtheit bei den Menschen, dass sie aus Angst, das diese weg laufen würden einen langen Zaun errichtete und mit Soldaten, Anti-Personen-Mienen und anderen fiesen Dingen befestigte. Weiter baute diese Diktatur einen Spionagenetzwerk auf, die so genannte Stasi, gegen deren Größe und Komplexität die Gestapo im Dritten Reich wie eine Schülerorganisation wirkt. Die Diktatur macht auch das, was alle Diktaturen machen. Sie verfolgt Regimegegner, foltert und tötet sie und versucht ihre Bürger umzuerziehen. Dies macht sie mit vielen kleinen und großen Dingen. Es gibt spezielle Feiertage, Medien werden verstaatlicht, überall laufen Propagandasendungen, welche der Diktatur wichtige Inhalte unterschwellig weiter vermitteln und Jugendorganisationen werden gegründet. Dabei ist den Köpfen hinter der Diktatur aufgefallen, was einer anderen deutschen Diktatur nur wenige Jahre vorher ebenfalls aufgefallen ist.
Wer kümmert sich in Deutschland seit Jahrhunderten traditionell um die Jugend? Wer ist in Deutschland seit Jahrhunderten die Kraft und Organisation an die Menschen sich bei moralischen Problemen wenden? Wer "erzieht" damit seit Jahrhunderten in Deutschland Menschen zu ethischen Werten? Genau, die Kirche (egal ob kath. oder ev.)!
Die Diktatur macht dank dieser Erkenntnis etwas, was die andere Diktatur einige Jahre zuvor in Deutschland auch machte: Sie bekämpft die Kirche. Doch anders als der Diktatur vorher geht es der neuen Diktatur nicht um einen Eroberungskrieg, sondern nur um ihre Herrschaft selbst. Daher braucht sie die Menschen nicht, sondern nur genug Menschen, um die Menschen, die in ihrem Staat leben, einzupferchen. Die Diktatur, die vorher in Deutschland herrschte sprach sich gegen die Kirche aus, verfolgte Kirchenanhänger die sich gegen die Greultaten aussprachen und versuchte recht erfolglos einen neuen "nordischen" Glauben einzuführen, sowie den alten christlichen Glauben für ihre Zwecke zu entfremden. Zu Letzterem ein Zitat vom so genannten "Führer", vom 13.12.1941: "Christus was Arier, aber Paulus hat seine Lehre benutzt, die Unterwelt zu mobilisieren und einen Vorbolschewismus zu organisieren; mit dessen Einbruch ging die schöne Klarheit der antiken Welt verloren.", Jochmann Werner [Hrsg.]: Adolf Hitler - Monologe im Führerhauptquartier 1941-1944, Hamburg 1980, S. 150.
Diese neue Diktatur aber geht härter gegen die Kirche vor, als es vorher der Fall gewesen war. Wer nicht aus der Kirche austritt, bzw. wer Mitglied einer Kirche ist, wird wohl nie studieren. Er wird auch so keine Arbeit finden, zumindest keine gute. Die Jugendweihe wird als Ersatz der Konfimation / Kommunion eingeführt. Kirchliche Jugendorganisationen werden durch staatliche ersetzt. Pfarrer und Priester bedroht. Kirchenmitglieder überwacht. Der Religionsunterricht in der Schule praktisch abgeschafft, da in Schulräumen verboten.
Ich nenne mal ein paar Ereignisse aus den frühen Tagen der Diktatur:
18.9.1951 Bischof Dibelius wendet sich in einem Brief an Stalin gegen „die gegenwärtige Handhabung der Justiz im Bereich der DDR“.
1.10.1951 Die DDR-Behörden verweigern im Westen ausgebildeten Theologen und Priestern die Aufenthaltsgenehmigung für das Gebiet der DDR.
14./15.6.1952 Verbot eines Kirchentages der Jungen Gemeinde in Lübbenau mit der Begründung, diese sei eine „illegale Organisation“.
19./24.7.1952 Der 75. Deutsche Katholikentag in Berlin mit 150 000 Teilnehmern wird von den DDR-Behörden vielfach behindert.
1.1.1953 Verbot des Religionsunterrichts in Schulräumen.
1.4.1953 Eine Sondernummer der FDJ-Zeitung „Junge Welt“ eröffnet die Hetzkampagne gegen die Junge Gemeinde und verunglimpft sie als „Tarnorganisation für Kriegshetze“. Damit beginnt der „Kirchenkampf“ der SED-Führung, in dem es zu zahlreichen Verhaftungen und einer Fluchtwelle insbesondere von Jugendlichen aus der DDR kommt.
3.5.1953 Ein Hirtenbrief der katholischen Bischöfe der DDR mahnt insbesondere für Jugendliche ein „unzerstörbares Recht auf Freiheit“ an.
2./4.6.1953 Moskau fordert die SED-Führung zu einer durchgängigen politischen Kurskorrektur auf. In dem Dokument des Ministerrats der UdSSR „Über die Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR“ verlangt die sowjetische Regierung unter anderem auch eine vollständige Rücknahme aller gegen die Kirchen in der DDR gerichteten Aktionen.
10./11.6.1953 Spitzengespräch zwischen Vertretern des Staates und der Kirche. In einem Kommuniqué über die Begegnung wird die Einstellung der antikirchlichen Maßnahmen zugesichert.
14.11.1954 Einführung der Jugendweihe
30.11.1954 Die evangelische Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg erklärt die Unvereinbarkeit von Konfirmation und Jugendweihe.
26.12.1954 Protest der katholischen Berliner Ordinarienkonferenz gegen die Jugendweihe.
Dezember 1955 In einem „Ratschlag des Rates der EKD zur gesetzlichen Regelung des Schutzes der Kriegsdienstverweigerer“ bitten die Kirchen beide deutsche Regierungen um gesetzliche Regelungen zur Wehrdienstverweigerung und die Einführung von verschiedenen Formen des Wehrersatzdienstes.
20.1.1956 Das „Neue Deutschland“ eröffnet die Agitation gegen die Bahnhofsmission, die der Spionagetätigkeit verdächtigt wird.
10.2.1956 Die Kirchensteuern werden nicht mehr durch die Finanzämter eingezogen, sondern nur noch wie private Vereinsbeiträge behandelt.
29.8./2.9.1956 Bischof Otto Spülbeck/Meißen bezeichnet auf dem Kölner Katholikentag die DDR als das „fremde Haus“, in dem Katholiken allenfalls „unter der Treppe“ geduldet würden.
8.3.1957 Bildung der „Dienststelle für Kirchenfragen“ (später: Staatssekretariat) bei der Regierung der DDR unter der Leitung von Staatssekretär Werner Eggerath.
28.11.1957 Der Leipziger evangelische Studentenpfarrer Siegfried Schmutzler wird wegen „Boykotthetze“ und „Staatsverleumdung“ zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.
11.2.1958 Albert Norden, Mitglied des Polibüros, erklärt die Kirche zum „letzten organisierten Feind der DDR“.
12.2.1958 Die „Anordnung zur Sicherung von Ordnung und Stetigkeit im Erziehungs- und Bildungsprozess der allgemein bildenden Schulen“ („Lange-Erlass“) behindert den katholischen Religionsunterricht und die evangelische Christenlehre.
30.4.1958 Der provinzialsächsische Synodalpräses Lothar Kreyssig ruft zur Gründung der „Aktion Sühnezeichen“ auf.
17.5.1958 Ministerpräsident Otto Grotewohl erklärt die Tätigkeit des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Regierung der DDR, Propst Heinrich Grüber, wegen des Militärseelsorgevertrages für beendet.
3.6.1959 Das Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) leitet die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft ein.
Oktober 1959 Die Denkschrift von Bischof Dibelius „Obrigkeit?“ löst eine heftige öffentliche Debatte über das Verhältnis der Christen zum SED-Staat aus.
11.3.1960 Die evangelischen Bischöfe der DDR protestieren in einem Brief an Ministerpräsident Grotewohl gegen die zwangsweise Eingliederung der Bauern in die LPG.
4.10.1960 Ulbricht erklärt vor der Volkskammer: „Das Christentum und die humanistischen Ziele des Sozialismus sind keine Gegensätze.“
31.12.1960 Kardinal Döpfner bezeichnet in einem Aide-mémoire Ulbricht als „Erzstalinisten“, von dem Kirche und Religion „nicht die geringste Rücksichtnahme, geschweige denn Förderung zu erwarten“ hätten.
Sieht man wohin die Reise geht?
Vielleicht noch:
5.12.1963 Gründung des Lehrstuhls für Wissenschaftlichen Atheismus an der Universiät Jena.
30.5.1968 Sprengung der Leipziger Universitätskirche.
Für Alle, die vielleicht immer noch an der Stellung der SED Diktatur zur Kirche zweifeln noch ein interessanter Link zu einem damals internen Protokoll. Da eröffnet sich einem eine ganz neue Sichtweise:
http://www.17juni53.de/chronik/5301/doc_5.htmlLange Rede kurzer Sinn: Aus meiner Sicht als angehender Geschichtslehrer, ist die Konzentration von Atheisten in den Neuen Bundesländer alleine durch die über 40 Jahre andauernde Diktatur bedingt, in welcher die Menschen dort leben mussten. Da es sich um ein Ereignis aus der jüngeren Vergangenheit handelt, wurde diese Diktatur noch nicht "aufgearbeitet". Dies wird aber in der Zukunft sicher noch passieren und die Anzahl von bekennenden Christen in den Neuen Bundesländern wird sich auch wieder regulieren. Sie wurden über 40 Jahre lang bekämpft und verfolgt, da braucht es einige Zeit bis sich das wieder reguliert, zumal viele Menschen sich noch nie mit dem Christentum auseinander gesetzt haben. Das gilt auch für junge Menschen, die nicht in der DDR aufgewachsen sind. Kinder schauen immer auf ihre Eltern als Vorbild und die haben halt Jugendweihe gemacht. Aber das wird sich alles regulieren. Es braucht nur Zeit. Der Mensch hat ein Grundbedürfnis nach Sinnhaftigkeit.
Es ist ein schwieriges Thema und man kann sich da leicht streiten. Ich hoffe, dass sich niemand verletzt fühlt durch meinen Beitrag, denn das ist nicht meine Absicht.Ach, zum Unterschied Atheismus, Antitheismus: Dann ist Antitheismus also aktiv, da man sein Wort gegen Gott/Götter Glauben erhebt, während Atheismus passiv sein soll... Mmhmm, irgendwo interessant. Dann enthält der Antitheismus einen missionarischen Grundgedanken. Ein wesentlicher Aspekt von Religion. Irgendwo kommt alles wieder.